Vor dem Bergpanorama des Zugspitzlandes und in nächster Nähe der Olympia-Skisprungschanze von Garmisch-Partenkirchen hat das Ingenieurbüro „Frühholz und Wörmann“ seinen Firmensitz. Josef Wakolbinger (35) ist dort seit März 2017 als Bautechniker tätig. „Im Sommer gibt es nach der täglichen Hitze abends immer wieder Wärmegewitter. Das spüre ich gesundheitlich sofort. Es zieht vom Rücken bis ins Bein“, erzählt er. Anfang 2014 hatte Wakolbinger einen Bandscheiben-Vorfall erlitten. Seitdem reagiert sein Ischiasnerv sensibel auf Wetterumschwünge.

Wakolbinger erstellt derzeit u. a. einen Bewehrungsplan für eine Tiefgarage. „Jedes Projekt ist ein Unikat“, schwärmt er von seinem Beruf. „Und damit beginnt die Konstruktionsarbeit jedes Mal aufs Neue.“  Für den Bau eines umweltfreundlichen Schachtkraftwerks in der Loisach bei Großweil entwickelt er Schalpläne und berichtet stolz: „Das ist ein herausragendes Projekt für mich. Gerade jetzt, wo die Energiewende in aller Munde ist.“ Wakolbinger hat große Freude an seiner Arbeit in der Tragwerksplanung: Brandschutzpläne, Energetische Nachweise und Bewehrungsabnahmen gehören zu seinen stetig wachsenden Aufgaben. Bis heute lerne er jeden Tag Neues dazu. „Inzwischen weiß ich, wie viel Knowhow im Beton steckt. Und dabei war Beton ursprünglich nur graue Suppe für mich als gelernter Schreiner“, sagt er.

Nach einer Operation an der verletzten Bandscheibe und der anschließenden medizinischen Reha war klar, dass er den körperlichen Anforderungen seines Schreinerberufs nicht mehr gewachsen und eine Umschulung nötig war. Die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd schickte Wakolbinger zur zweiwöchigen Berufsfindung und Arbeitserprobung (BF/AP) in die Münchener Geschäftsstelle des Berufsförderungswerks München. Seine Eignungen und Neigungen sprachen für die Weiterbildung zum Bautechniker „Als ich allerdings während der BF/AP zum Info-Tag nach Kirchseeon sollte, verstand ich den Sinn des Besuchs dort nicht“, erinnert er sich. „Es stand für mich überhaupt nicht zur Debatte, dass ich von zuhause weggehen würde.“ Doch man habe ihm die medizinische Betreuung und den Reha-Sport im BFW in Kirchseeon wärmstens empfohlen, um seine gesundheitliche Rehabilitation weiter voranzubringen.

Schweren Herzens begann er im September 2014 mit dem Reha-Vorbereitungslehrgang die Ausbildung zum Bautechniker. „Es war wirklich hart für mich. Ich hatte anfangs nur den Wunsch, dass es schnell vorbeigeht“, sagt der Vater eines zu Umschulungsbeginn erst zwei Jahre alten Sohnes. Täglich habe er mit seiner Familie geskypt, aber auch oft bis spät abends gelernt. Denn er „hatte den Ehrgeiz, von Anfang an, am Ball zu bleiben“. Erstaunt war er, als er in sich bisher vermeintlich verborgene mathematische Fähigkeiten entdeckte. Stolz ist er, dass er durch die Teilnahme am „Wahlpflichtfach Mathematik II“ auch die Fachhochschulreife erlangt hat. „Die Ausbildung war sehr gut aufgebaut. So fühlte ich mich auf die Abschlussprüfungen bestens vorbereitet und konnte sie recht entspannt angehen“, erinnert sich der Kursbeste der BT 22. Sport habe er als Ausgleich zur Ausbildung gesehen und die medizinischen Reha-Möglichkeiten des BFW eisern genutzt.

Das dreiwöchige Praktikum wollte er in einem Ingenieurbüro für Tragwerksplanung absolvieren. „Und das natürlich hier im Loisachtal“, sagt der heimatverbundene Eschenloher. Denn in einem solchen Unternehmen wollte er auch gerne nach der Weiterbildung zum Bautechniker arbeiten. Bei „Frühholz und Wörmann“ hatte er sich initiativ beworben. „Ich durfte in alle Bereich reinschnuppern: ich habe z. B. Positions- und Bewehrungspläne erstellt und durfte mit auf die Baustelle.“ Durch das Praktikum habe er sich in seinem Vorhaben bestätigt gefühlt und sicherte sich die Festanstellung im direkten Anschluss an die zweijährige Weiterbildung.

 „Im Endeffekt hat alles eine absolut positive Entwicklung genommen“, sagt Wakolbinger rückblickend. „Gesundheitlich wie beruflich haben mich die zwei Jahre in Kirchseeon enorm weitergebracht. Ehrlicherweise muss ich auch gestehen, dass die Wetterfühligkeit in Kirchseeon weniger ausgeprägt war als hier zuhause.“ Dennoch ist er heilfroh und glücklich, zurück bei seiner Familie und in der Heimat zu sein.